Heute am Mittwoch, 10.02.2021 zieht ein Schneefallgebiet von West nach Ost über Ostbayern hinweg. An und für sich ist dies zu dieser Jahreszeit nichts außergewöhnliches. Betrachtet man jedoch die Temperaturverteilung innerhalb des Bayerwaldes jetzt gegen Mittag mal genauer, dann stellt man fest, dass es massive Temperaturunterschiede (und auch Wetterunterschiede!) innerhalb des Bayerischen Waldes zwischen dem äußersten Nordwestlichen Bayerwald und dem Südöstlichen Bayerwald gibt. Während es in Eggerszell bereits den gesamten Vormittag hinweg regelrecht schneesturmartige Bedingungen bei aktuell -7,1 °C, starkem Nordostwind und leichtem Dauerschneefall gibt, herrschen auf gleicher Höhenlage im Unteren Bayerwald (Landkreis Freyung-Grafenau und nördlicher Kreis Passau) derzeit etwa in Ringelai/Perlesreut bei Windstille milde +3 °C.
Selbst innerhalb des nördlichen Landkreises Straubing-Bogen gibt es aktuell deutliche Temperaturunterschiede. Während es bei Wiesenfelden und Rattiszell verbreitet selbst in tieferen Lagen (340 m Höhe) -6 bis -8 °C kalt ist und starker Nordostwind (mit gefühlten Werten bis -16 °C) weht, ist es rund um St. Englmar auf 800-1100 m Höhe aktuell bei nur sehr wenig Wind (teils sogar Windstille!) mit derzeit nur zwischen -3 und -5 °C wesentlich milder.
Es gibt somit derzeit deutliche Temperaturunterschiede innerhalb des Bayerwaldes zwischen Nordwesten und Südosten. Aber wie kommen die teils massiven Temperaturunterschiede derzeit zu Stande? Hier die Antwort:
Es befindet sich derzeit eine Luftmassengrenze quer über Ostbayern, welche mildere Luft auf der Südseite und deutlich kältere Winterluft auf der Nordseite voneinander trennt. Aktuell liegt diese Luftmassengrenze exakt über Ostbayern. Die Grenze zwischen sehr kalter Luft im Norden und etwas milderer Luft im Süden befindet sich in etwa auf Höhe des Nördlichen Niederbayerns/südliche Oberpfalz. Jetzt kommen jedoch zusätzlich noch die geographischen Besonderheiten des Böhmerwaldes/Bayerwaldes ins Spiel, welche eine sehr wichtige Rolle bei dem Ganzen spielen! Da die Kaltluft durch den Nordostwind von Norden/Nordosten her einfließt, stellt sich im mittleren und südlichen Bayerwald (vom Böhmerwaldhauptkamm her) ein Föhneffekt/Leeeffekt ein, sodass die Landkreise Regen, Deggendorf, Freyung-Grafenau und Passau zunächst vorübergehend noch weitestgehend abgeschottet von der Kaltluft sind. Ganz im Gegensatz zum äußersten Nordwestlichen Bayerwald (Falkensteiner Vorwald bei Wiesenfelden und Eggerszell, Oberer Bayerwald im Kreis Cham, Oberpfälzer Wald). Diese Regionen werden vom Böhmerwald-Lee nicht beeinflusst und die Kaltluft von Nordosten her kann ungehindert in voller Form dort einfließen. Nordöstlich dieser Gebiete liegen nämlich keine höheren Bergmassive, deshalb kann dort im nördlichen Kreis Straubing-Bogen und im Chamer Landkreis schön die Kaltluft von Nordosten her bei starkem Nordostwind einfließen. Es treffen somit heute zwei Extreme innerhalb des Bayerwaldes aufeinander. Zu einem Böhmerwald-Lee/Böhmerwald-Föhn im Mittleren und Südöstlichen Bayerwald und dagegen Nordoststau (Luv) im Oberpfälzer Wald/Oberer Bayerischer Wald und im Falkensteiner Vorwald.
So kommt es auch, dass es derzeit in Eggerszell (490 m Höhe) bei starkem Nordostwind -7,1 °C kalt ist und gefühlte Werte (Windchill) von -15 °C herrschen. Und im knapp 10 km entfernten St. Englmar weht nur sehr leichter Wind bei aktuell -3,3 °C in St. Englmar-Hinterwies (918 m Höhe). Trotz 430 Höhenmeter Unterschied ist es in Eggerszell derzeit somit fast 4 °C kälter als in St. Englmar und das trotz Tiefdruckeinfluss und keiner Inversionswetterlage. Mit einer Inversionswetterlage hat das Ganze aktuell nämlich rein gar nichts zu tun! Der Ort Eggerszell liegt bereits im vollen Einflussbereich der Kaltluft, denn diese kann durch die Cham-Further Senke ungehindert frei von Nordosten her einströmen. Dagegen blockt der Böhmerwaldhauptkamm (zwischen Osser-Arber-Dreisesselberg und nordöstlich davon) die Kaltluft weiter südöstlicher aktuell noch gut ab. Desto weiter man sich in Richtung Südosten begibt, desto intensiver kommt dieser Effekt zum Tragen. Aus diesem Grund gibt es aktuell im Unteren Bayerwald (Kreis Freyung-Grafenau) teilweise bis auf 750 m Höhe hinauf leichte Plusgrade, während es im äußersten Nordwestlichen Bayerwald zwischen Rattiszell/Wiesenfelden und Cham/Furth im Wald selbst auf 350 m Höhe aktuell zwischen -6 und -8 °C kalt ist.
Nachfolgend ein paar aktuelle Temperaturwerte von heute, 10.02.2021 / 12:00 Uhr, welche diese Unterschiede deutlich machen:
Neukirchen beim Heiligen Blut/Cham: -7,5 °C (475 m ü. NN)
Schorndorf-Knöbling/Cham: -7,5 °C (398 m ü. NN)
Eggerszell: -7,1 °C (490 m ü. NN)
Gr. Arber: -4,8 °C (1456 m ü. NN)
Dreisesselberg: -3,7 °C (1309 m ü. NN)
St. Englmar-Hinterwies: -3,3 °C (918 m ü. NN)
Bischofsmais-Oberbreitenau: -2,2 °C (1021 m ü. NN)
Schöfweg: +0,6 °C (749 m ü. NN)
Perlesreut/Freyung-Grafenau: +1,8 °C (546 m ü. NN)
Saldenburg-Entschenreuth/Freyung-Grafenau: +2,0 °C (456 m ü. NN)
Ringelai/Freyung-Grafenau: +2,9 °C (450 m ü .NN)
Es gibt somit aktuell 11 °C Temperaturunterschied innerhalb des Bayerwaldes zwischen dem äußersten Nordwestlichen Bayerwald und dem Südöstlichen Bayerwald. Diese Temperaturgegensätze werden in den kommenden Stunden weiter Bestand haben, solange der Wind aus Nordost weht. Die Temperaturen gehen zwar in den kommenden Stunden allgemein in Ostbayern konstant deutlich zurück, aber die oben angesprochenen Kontraste bleiben bis in die kommende Nacht hinein weiter bestehen. Erst am morgigen Donnerstag, 11.02.2021 wenn der Wind allmählich auf Nordwest dreht, dann passt sich das Temperaturniveau verbreitet im Bayerwald wieder gewohntem Maße an.
Hier noch die Webcam aus Eggerszell von heute Vormittag bei -7 °C, leichtem Schneefall und starken Schneeverwehungen. Die gefühlten Werte liegen zeitweise zwischen -14 und -18 °C: